Katarakt
Jede Trübung der Linse, unabhängig von der Beeinträchtigung des
Sehvermögens und des Trübungsgrades bzw. der Ausdehnung der Trübung wird als
Katarakt bezeichnet. Das Wort Katarakt stammt von dem griechischen
Wort "Kataruraktes" = Wasserfall ab. Die Griechen vermuteten hinter der
Pathogenese ein Herunterfallen von Gehirnsubstanz in die Augen, wodurch die
Linsentrübung verursacht wurde. Ein Katarakt kann uni- oder bilateral
sowohl symmetrisch als auch asymmetrisch auftreten. Sie kann progressiv,
stationär, aber auch regressiv sein. Die Krankheit kann nach ihrem
Entwicklungsstadium (Grad der Trübung), der Lokalisation, dem Erscheinungsbild,
dem Zeitpunkt des Auftretens (Manifestationsalter) und der Ätiologie
klassifiziert werden.
Cataracta matura:
Die Cataracta matura stellt eine vollständige Trübung der Linse
dar. Da einfallendes Licht von der Linse fast vollständig reflektiert wird,
resultiert daraus die Blindheit des Hundes. Die Lichtreflexion des Tapetum
lucidum ist bei der Untersuchung nicht mehr sichtbar.
Cataracta hypermatura:
In der komplett getrübten Linse bewirken Enzyme, die durch die
Degeneration und Ruptierung von Linsenfasern freigesetzt werden, eine Proteolyse
vor allem im Bereich des Kortex. Die aufgelösten Proteine und die
Konistenzänderung im Inneren der Linse bewirken eine Tonusänderung bei intakter
Linsenkapsel. Deshalb ist in diesem Stadium eine charakteristische Faltenbildung
auf der vorderen Linsenkapseloberfläche sichtbar. Häufig werden kleine glitzeren
Kristalle als Reste degenerativer Linsenfasern und Proteine beobachtet. Abhängig
von dem Ausmaß der Resorptionsprozesse kann bei der Untersuchung wieder ein
Lichtreflexion des Tapetum lucidum festgestellt werden. Unter Umständen stellt
sich die Sehkraft ebenfalls abhängig vom Ausmaß der Resorptionsprozesse wieder
ein.
Lokalisation:
Der Katarakt kann in der Kapsel, in der Rindenschicht, in dem
Bereich des Pols, des Äquators, des Kerns und des Linsensterns lokalisiert sein.
Trübungen der Kapsel, der Rindenschicht und des Pols können in den vorderen
oder/und hinteren Abschnitten dieser Gewebe auftreten.
Erscheinungsbild:
Der Katarakt kann auch nach dem Erscheinungsbild klassifiziert
werden. Dabei werden Stachelform, Keilform, Speichenform, sonnenblumen-,
sternen-, punkt- und pulverförmige Trübungen unterschieden werden.
Manifestationsalter:
Nach dem Zeitpunkt des Auftretens der Katarakt werden die
kongenitale, die juvenile und die senile Katarakt unterschieden.
Kongenitaler Katarakt:
Ein kongenitaler Katarakt liegt vor, wenn die Krankheit sich
bereits bei der Geburt bzw. bis zur achten Lebenswoche
manifestiert.
Pathogenetisch führt die Unterbrechung des
Linsenwachstums während der ersten Differenzierung der Linsenfasern zu einer
nucleären Katarakt, wobei zum Teil eine Beteiligung der vorderen und hinteren
Rindenschicht beobachtet werden kann. Die kongenitale Katarakt ist nicht
generell erblich, da sie durch toxische Einflüsse und Infektionen der Welpen im
Uterus ausgelöst werden kann. In der Regel ist diese Katarakt nicht progressiv.
Eine kongenitale Katarakt kann zusammen mit anderen angeborenen Augenanomalien
wie Mikrophthalmus, Retinadysplasie (RD), Membrana pupilaris persistens (MPP),
Linsenkolobomen und Persistierender Hyperplastischer Tunica Vasulosa Lentis
(PHTVL)/Persistierendem Primärem Vitreum (PHPV) auftreten.
Juvenile Katarakt:
Als juvenil wird ein Katarakt bezeichnet, wenn die Erkrankung
zwischen der achten Lebenswoche und dem sechsten Lebensjahr auftritt. Erbliche
Katarakte manifestieren sich häufig während dieser Lebensphase. Eine erbliche
Genese ist insb. Dann in Betracht zu ziehen, wenn Traumata, systemische
Erkrankungen und Vergiftungen als auslösendes Agens ausgeschlossen werden
können. Die Progression hängt von der Ätiologie ab.
Senile Katarakt
Ein seniler Katarakt liegt vor, wenn sich die Linsentrübung bei
großen Rassen nach dem sechsten und bei kleinen Rassen nach dem zehnten
Lebensjahr einstellt. Sie darf nicht mit der physiologischen
Alterssklerose, die durch eine Verdichtung der Linsenfasern im Linsenkern
verursacht wird, verwechselt werden. Die Diagnose Alterskatarakt
darf bei Rassen, für die eine erbliche Disposition nachgewiesen ist oder
vermutet wird, nicht allein aufgrund des fortgeschrittenen Alters gestellt
werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine atypische oder
spät einsetzende erbliche Katarakt handelt. Hinzu kommt, dass senile Katarakte
in einigen Rassen häufiger beobachtet werden als in anderen, weshalb auch hier
eine genetische Grundlage, die zu metabolischen Funktionsstörungen der alternden
Linse führt, nicht ausgeschlossen werden kann. Die
Diagnosenstellung erfolgt also unter Berücksichtigung der Rassendisposition und
dem Verlauf der Katarakt. In einigen Fällen kann es schwierig bis unmöglich
sein, die Diagnose sicher zu stellen.
Katarakte als Folge anderer
Augenerkrankungen:
Trübungen, die als Folge einer anderen
Augenerkrankung auftreten werden als konsekutive oder sekundäre Katarakt
bezeichnet.
Augenerkrankungen wie MPP, Glaukom, Uveitis,
Linsenluxation, Persistierende Arteria Hyaloidea und Linsenkolombom können
konsekutiv eine sekundäre Katarakt auslösen. Die Trübungen resultieren
vermutlich aus einer durch die Erkrankungen veränderten Zusammensetzung des für
die Ernährung der Linse wichtigen Kammerwassers. Auch bei der PRA
wird häufig das Auftreten einer Katarakt beobachtet. Es ist jedoch nicht
erwiesen, ob PRA die Katarakt durch biochemische Prozesse hervorruft oder ob
Katarakt und PRA eine gemeinsame genetische Ursache haben. Wasserlösliche
Dialdehyde, die aus der Photorezeptorenlipidmembran stammen und durch den
Glaskörper bis zur Linsenmembran diffundieren, werden als toxisches Agens
diskutiert. Für diese These spricht, dass sich die Katarakt zuerst an den
hinteren Nahtlinien manifestiert, also der Lokalisation, die das toxische Agens
zuerst erreicht.
Katarakte als Folge systemischer
Erkrankungen:
Hunde, die an Diabetis mellitus erkranken zeigen
häufig eine Katarakt. Die Störung des Linsenmetabolismus infolge der hohen
Konzentration der Blutglukose führt zu einer schnell fortschreitenden
bilateralen Katarakt, die zuerst die hinteren Linsennähte erfasst und sich dann
auf die gesamte Linse ausdehnt. Hypocalcemie, die durch
Nierenfunktionsstörungen und Hypoparathyreodismus hervorgerufen wird, kann zu
punktförmigen multifokalen Trübungen (Cataracta tatanica) des vorderen und
hinteren Linsenkortes führen. In der Regel sind diese Trübungen nicht progressiv
und gehen nicht mit einem Visusverlust einher.
Toxisch bedingte
Katarakte:
Da Hunde häufig als Versuchstiere für Toxizitätsstudien
neuer medikamente eingesetztw erden, konnte beim Hund für einige Substanzen die
kataraktogene Wirkung nachgewiesen und erforscht werden. Zu den
kataraktauslösenden lentotoxischen Stoffen gehören Disophenol, Diazoxid,
Hydroxymethylglutaryl-CoA-Reduktase-Inhibitoren.
Disophenol findet
sich in Antiparasitika und gehört zur Wirkstoffgruppe gegen Nematoden
(Rundwürmer).
Diazoxid wird bei der Behandlung von Bluthochdruck
als auch Diabetis sowie bei endokrinen Tumorerkrankungen
eingesetzt.
Das Enzym Hydroxymethylglutaryl-Coenzyme A (HMG-CoA)
Reduktase spielt eine wichtige Rolle in der Cholesterinsynthese. Hierzu siehe
weitere sehe interessante und aufschlussreiche Ausführungen auf dieser Seite
(Link folgt).
Sonstige nicht
erbliche Katarakte:
Spitze oder stumpfe Traumata können einen Katarakt
auslösen. Die Progression ist abhängig von dem Ausmaß der Quetschung bzw. der
Größe der Perforation der Linsenkapsel. Pathogenetisch wird diese durch die
mangelnde Ernährung, bedingt durch Fibrinauflagerungen und Synechien der Linse,
hervorgerufen. Große Linsenkapselperorationen rufen meistens progressive
Trübungen hervor, die schließlich die ganze Linse erfassen. Wird dabei
Linsenprotein freigesetzt, das der Körper aufgrund der abgegrenzten embryonalen
Entwicklung als immunolgisch fremd erkennt kommt es zu einer schweren
Uveitis. Die Einseitigkeit der Katarakt, das beobachtete Trauma oder
dessen deutlich erkennbare Folgen und andere Symptome, wie z.B. Blutungen in der
vorderen Augenkammer, ermöglichen die Unterscheidung dieser
Kataraktform. Energiereiche Strahlen (Röntgen-, Ultraviolett-,
Infrarotstrahlung und radioaktive Strahlung) können zu degenerativen
Veränderungen des Linsenepithels führen, wodurch die Ernährung der Linse gestört
wird. Neu gebildete Linsenfasern können in ihrer Formation verändert werden,
wodurch ebenfalls eine Katarakt entsteht, die sich meist zuerst an den vorderen
und hinteren Linsennähten manifestiert. Katarakte, die durch
Ernährungsfehler ausgelöst werden sind sehr selten. Größtenteils sind diese auf
einen Mangel an essentiellen Aminosäuren, Vitaminen, speziell Vitamine des
B-Komplexes oder Kalzium zurückzuführen. Bei Wölfen und Hunden wurde berichtet,
dass bei der Aufzucht mutterloser Welpen mit kommerziellen Milchaustauschern bei
einigen Welpen gering bis hochgradige Katarakte beobachtet werden
konnten.
Erbliche Katarakte:
Die heriditäre Genese
stellt beim Hund die häufigste Ursache einer primären Katarakt dar. Die Zahl der
Rassen, für die eine Rassedisposition vermutet wird nimmt ständig
zu. Kongenitale Katarakte treten in den Rassen Basenji, Beagle,
Bouvier de Flandres, Chow Chow, English Springer Spaniel, Pembroke Welsh Corgie,
Somojeden und Zwergschnauzer auf. Am besten erforscht ist die
kongenitale Katarakt beim Zwergschnauzer, die autosomal rezessiv vererbt wird.
Die Trübung, die sich auf den Linsennucleus und z.T. den hinteren Linsenkortex
erstreckt, ist unmittelbar nach Öffnung der Augen mit 14 Tagen feststellbar.
Diese Katarakt schreitet unterschiedlich schnell fort. Die Isolierung eines
verantwortlichen Gens war nicht möglich. Zu den nicht kongeniatlen
Katarakten gehören Trübungen, die sich bereits in den ersten Lebenswochen
manifestieren und die in der Regel progressiv verlaufen:
Rassen, bei
denen diese frühe Form der nicht kongenitalen Katarakt beobachtet wird sind
Boston Terrier, Deutscher Schäferhund, Zwergschnauzer, Alter Englischer
Schäferhund, Staffordshire Bullterrier, Standard Pudel und Welsh Springer
Spaniel. Der Erbgang bei diesen untersuchten Rassen ist monogen autosomal
rezessiv. Afganischer Windhund, Chesapeake Bay Retriever, Golden
Retriever, Labrador Retriever, Sibirian Husky, Belgischer Schäferhund,
Norwegischer Buhund und Rehpinscher zeigen nicht kongenitale Katarakte, die sich
in einem Alter von drei bis vier Monaten bis zu einigen Lebensjahren
manifestieren. Die Trübungen beginnen im Bereich der Nahtlinien und zeigen in
der Regel eine symmetrische dreieckige oder pyramidale Form. Der Erbgang wird
beim Chesapeake Bay Retriever, Golden Retriever und Labrador Retriever als
dominat mit unvollständiger Penetranz vermutet. Beim Sibirian Husky wird die
Katarakt vermutlich autosomal rezessiv vererbt. Für die Katarakt des Belgischen
Schäferhundes, des norwegischen Buhundes und des Rehpinschers ist der Erbgang
nicht bekannt. Andere nicht kongenitale Kataraktformen wurden für den
American Cocker Spaniel und den Boston Terrier beschrieben. Die Katarakt des
American Cocker Spaniels manifestiert sich im Alter von 2 Monaten bis zu sechs
Jahren und zeigt variierende, nicht symmetrische Erscheinungsformen. Der Erbgang
ist monogen autosomal rezessiv. Der Boston Terrier zeigt eine anteriore
subkapsuläre speichenartige Trübung, die sich im Alter von drei bis zehn Jahren
manifiestiert und deren Erbgang nicht bekannt ist. Beim Tibet Terrier
besteht, wie komplexe Pedigreeanalysen und Varianzanalysen zeigten eine
genetische Disposition für eine nicht kongenitale Katarakt. Eine polygene
Vererbung erschien als wahrscheinlicher Erbgang, jedoch konnte ein monogener und
gemischt monogener-polygener Erbgang nicht vollständig ausgeschlossen
werden.
Bei weiteren Hunderassen wird eine hereditäre nicht
kongenitale Katarakt vermutet, ein Erbgang bisher aber noch nicht geklärt. Zu
diesen Rassen gehören: Chow Chow, Rottweiler, Dobermann, Lhaso Apso und Tibet
Spaniel. Eine Liste betroffener Rassen wird regelmäßig vom American
College of Veterninary Ophtalmologists (ACVO) - Genetics Comitee herausgegeben.
Die Rasse Border Collie wurde bisher dort nicht
aufgeführt.
© M. Munck * Görzke inclusive aller Rechte